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Die Dashcam als „neutraler Zeuge“ bei Verkehrsunfällen – Was ist erlaubt, was ist verwertbar?

Autor: Christian Thiel, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Verkehrsrecht – alpha Rechtsanwälte Tag für Tag kommt es auf deutschen Straßen zu Verkehrsunfällen. In zahlreichen Fällen sind die Beteiligten dabei allein unterwegs – es gibt keine unabhängigen Zeugen, und der genaue Unfallhergang lässt sich im Nachhinein nur schwer rekonstruieren. Nicht selten führen widersprüchliche Aussagen und unklare Beweislagen ... Weiterlesen


Autor: Christian Thiel, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Verkehrsrecht – alpha Rechtsanwälte

Tag für Tag kommt es auf deutschen Straßen zu Verkehrsunfällen. In zahlreichen Fällen sind die Beteiligten dabei allein unterwegs – es gibt keine unabhängigen Zeugen, und der genaue Unfallhergang lässt sich im Nachhinein nur schwer rekonstruieren. Nicht selten führen widersprüchliche Aussagen und unklare Beweislagen dazu, dass vor Gericht lediglich eine Teilerstattung des Schadens erfolgt – oftmals sogar nur in Höhe von 50 %. Stellt sich die Frage, ob eine Dashcam erlaubt ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Wunsch nach einem verlässlichen Beweismittel mehr als verständlich. Genau hier kommt die Dashcam ins Spiel. Diese kleinen Kameras gelten zunehmend als „neutrale Zeugen“, die im Ernstfall Klarheit bringen sollen. Doch wie sieht die rechtliche Bewertung solcher Aufnahmen aus? Wann sind Dashcam-Aufzeichnungen zulässig – und wann nicht? alpha Rechtsanwälte beleuchten das Thema,


Dashcams im Straßenverkehr – Praktisch, aber rechtlich auch erlaubt?

Dashcams sind kompakte Kameras, die in der Regel an der Windschutzscheibe oder am Armaturenbrett befestigt werden. Sie zeichnen fortlaufend oder ereignisbezogen das Verkehrsgeschehen auf und speichern Videodateien auf internen Speichermedien. Vielen Autofahrerinnen und Autofahrern geben sie das Gefühl von Sicherheit – vor allem im Hinblick auf potenzielle Unfallhergänge oder Verkehrsstreitigkeiten.

Allerdings: Die rechtliche Bewertung solcher Aufnahmen ist keineswegs einfach. Denn die Nutzung von Dashcams berührt zentrale Grundrechte – insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht und den Datenschutz. Wer mit seiner Kamera dauerhaft den Straßenverkehr filmt, nimmt unweigerlich auch andere Verkehrsteilnehmer auf. Daraus ergeben sich datenschutzrechtliche Risiken, die bei der Nutzung dringend zu beachten sind.


Datenschutz und DSGVO – Was ist beim Einsatz einer Dashcam zu beachten?

Seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 sind auch private Videoaufnahmen strenger geregelt. Die Erhebung personenbezogener Daten – etwa durch das Filmen von Kennzeichen oder Gesichtern – ist grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage besteht.

Im Falle der Dashcam-Nutzung liegt diese Rechtsgrundlage nicht automatisch vor. Zwar ist das bloße Filmen für den privaten Gebrauch nicht per se verboten, doch sobald die Aufnahmen weiterverarbeitet, gespeichert oder gar veröffentlicht werden, greifen die Datenschutzbestimmungen vollumfänglich. Verstöße können mit Bußgeldern sanktioniert werden – wie konkrete Fälle aus der Praxis bereits gezeigt haben.


Der rechtliche Durchbruch: BGH-Urteil vom 15.05.2018 (Az. VI ZR 233/17)

Ein entscheidender Wendepunkt in der rechtlichen Bewertung von Dashcams war das viel beachtete Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2018. In dem Verfahren ging es um einen Verkehrsunfall beim Linksabbiegen, bei dem eine Dashcam-Aufzeichnung den genauen Hergang belegte. Die Vorinstanzen hatten die Aufnahme wegen datenschutzrechtlicher Bedenken abgelehnt – doch der BGH entschied anders.

Demnach kann eine Dashcam-Aufnahme trotz Verstoßes gegen Datenschutzvorgaben als Beweismittel im Zivilprozess verwertbar sein – zumindest dann, wenn das Interesse an der Wahrheitsfindung im konkreten Fall überwiegt. Diese Entscheidung schuf Rechtssicherheit – aber keineswegs einen Freibrief.

Denn der BGH betonte gleichzeitig, dass stets eine Einzelfallabwägung erforderlich sei. Die Rechte der aufgenommenen Personen seien mit dem berechtigten Interesse des Fahrzeugführers an der Beweissicherung sorgfältig gegeneinander abzuwägen.


Wann dürfen Dashcam-Aufnahmen verwertet werden?

Die Zulässigkeit einer Dashcam-Aufnahme hängt daher maßgeblich von der Art und Weise der Aufnahme ab. Entscheidend sind dabei unter anderem:

  1. Dauer der Aufzeichnung: Eine dauerhafte Videoüberwachung ist rechtlich problematischer als eine kurze, anlassbezogene Aufnahme.
  2. Technische Funktionen: Kameras mit Ereigniserkennung (z. B. bei Erschütterung oder abruptem Bremsen) schneiden im datenschutzrechtlichen Vergleich besser ab.
  3. Automatische Löschung: Aufnahmen sollten nach kurzer Zeit überschrieben werden, wenn kein Vorfall erkannt wurde.
  4. Zweckbindung: Die Verwendung der Aufnahmen sollte ausschließlich zur eigenen Rechtsverteidigung oder Schadenregulierung erfolgen.

Je geringer der Eingriff in die Rechte anderer ist, desto eher wird ein Gericht eine Verwertung zulassen.


Dashcams im Strafprozess – ein anderer Maßstab?

Während die oben genannten Grundsätze vor allem für zivilrechtliche Verfahren gelten, stellt sich die Frage, ob Dashcam-Videos auch im Strafrecht verwertbar sind. Tatsächlich wurden auch dort bereits Aufnahmen berücksichtigt, etwa bei der Ahndung von Nötigung im Straßenverkehr, Unfallflucht oder gefährlichem Fahrverhalten.

Allerdings gelten im Strafprozess strengere Anforderungen. Eine Verwertung erfolgt nur dann, wenn das Videomaterial eine konkrete Straftat dokumentiert und der Eingriff in die Rechte der Betroffenen als verhältnismäßig gilt. Auch hier erfolgt die Prüfung im Einzelfall.


Vorsicht: Datenschutzverstöße sind kein Kavaliersdelikt

Viele Autofahrer glauben, dass die Aufzeichnung aus dem eigenen Fahrzeug heraus stets erlaubt sei – ein Irrtum, der teuer werden kann. Datenschutzverstöße können nicht nur zur Unverwertbarkeit der Aufnahmen führen, sondern auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

So ordnete eine Datenschutzbehörde in einem Fall an, dass ein Anwalt seine Kamera entfernen und sämtliche Aufnahmen löschen muss. In einem anderen Fall wurde einer Autofahrerin ein Bußgeld von 150 Euro auferlegt, weil sie ohne konkreten Anlass dauerhaft filmte. Diese Fälle zeigen deutlich: Wer eine Dashcam nutzen will, sollte unbedingt die datenschutzrechtlichen Grenzen kennen und beachten.


Technische Tipps: So nutzen Sie Ihre Dashcam rechtssicher

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte beim Kauf und bei der Nutzung der Dashcam auf folgende Punkte achten:

  • Ereignisgesteuerte Aufnahme durch Sensoren (G-Sensor, Bewegungserkennung)
  • Loop-Funktion mit automatischer Überschreibung nicht benötigter Daten
  • Kurze Speicherzeiten ohne permanente Aufzeichnung
  • Keine Veröffentlichung auf YouTube, Social Media oder in Messenger-Gruppen
  • Klare Zweckbindung der Aufnahmen für Unfallbeweissicherung

Diese technischen Maßnahmen reduzieren das Risiko datenschutzrechtlicher Verstöße erheblich – und erhöhen gleichzeitig die Chance auf eine gerichtliche Verwertbarkeit.


Dashcams im Ausland – was Reisende wissen sollten

Ein Blick über die Grenze zeigt: Nicht in allen Ländern Europas ist der Einsatz von Dashcams erlaubt. In Staaten wie Belgien, Luxemburg, Portugal und der Schweiz ist die Nutzung entweder stark eingeschränkt oder sogar komplett untersagt. Wer dennoch aufzeichnet, riskiert hohe Bußgelder oder sogar strafrechtliche Konsequenzen.

Daher gilt: Prüfen Sie vor Urlaubsantritt unbedingt die aktuelle Rechtslage im Reiseland. Die Regelungen ändern sich zum Teil kurzfristig – ein Verstoß kann teuer und rechtlich unangenehm werden.


Und wie sieht es bei Fahrradfahrern aus?

Auch Radfahrerinnen und Radfahrer setzen zunehmend auf Kameras – etwa in Form von Helmkameras oder am Fahrrad befestigte Geräte. Ziel ist es, bei gefährlichen Situationen oder Streitigkeiten mit Autofahrern Beweise zu sichern. Doch auch hier gilt: Der Datenschutz macht keinen Unterschied zwischen Autofahrern und Radlern.

Das heißt: Auch Fahrradkameras dürfen nicht dauerhaft überwachen und müssen datenschutzkonform eingesetzt werden. Zudem sollte die Kamera sicher befestigt und während der Fahrt stabil ausgerichtet sein, um sowohl die Sicherheit als auch die Qualität der Aufnahme zu gewährleisten.


Fazit: Dashcam ja – aber mit Augenmaß und rechtlicher Absicherung

Dashcams können zweifellos eine große Hilfe sein, wenn es darum geht, Unfälle aufzuklären und Ansprüche durchzusetzen. Dennoch ist die rechtliche Lage komplex, insbesondere mit Blick auf den Datenschutz. Wer eine Dashcam nutzen will, sollte die Technik bewusst auswählen, die Rechtslage kennen und datenschutzkonform handeln.

Denn nur so lässt sich sicherstellen, dass das Videomaterial im entscheidenden Moment nicht nur existiert – sondern auch tatsächlich vor Gericht verwertbar ist.


Unsere Empfehlung: Juristische Unterstützung im Schadensfall

Unabhängig davon, ob Sie eine Dashcam eingesetzt haben oder nicht – die Durchsetzung Ihrer Ansprüche nach einem Verkehrsunfall erfordert juristische Fachkenntnis. Unsere Kanzlei alpha Rechtsanwälte Fachanwälte PartG mbB unterstützt Sie dabei kompetent und zielgerichtet.

Die Fachanwälte Martin Straube und Christian Thiel verfügen über umfangreiche Erfahrung im Verkehrsrecht und stehen Ihnen bei der Beweissicherung, Anspruchsdurchsetzung und Verhandlung mit Versicherungen zur Seite.

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