Eine Kündigung auszusprechen, bedeutet für viele Arbeitgeber das Ende eines Arbeitsverhältnisses. Doch Vorsicht: Nicht selten endet die Kündigung nur scheinbar. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Kündigung zur Kostenfalle werden – und zwar durch den sogenannten Annahmeverzug. Besonders ärgerlich: Arbeitgeber müssen in dieser Zeit oft weiter Lohn zahlen, obwohl der Mitarbeiter nicht arbeitet.
In diesem Beitrag erfahren Sie,
- wie Annahmeverzug entsteht,
- was aktuelle BAG -Urteile dazu sagen, und
- wie Sie als Arbeitgeber das Risko minimieren.
Was ist Annahmeverzug überhaupt?
Im Arbeitsrecht bezeichnet Annahmeverzug die Situation, in der der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt, obwohl der Arbeitnehmer grundsätzlich bereit und in der Lage wäre, zu arbeiten. Typisches Beispiel: Eine Kündigung wird ausgesprochen, der Arbeitnehmer erhebt Kündigungsschutzklage – und gewinnt. Die Kündigung ist also unwirksam, das Arbeitsverhältnis besteht fort, der Arbeitgeber hätte den Arbeitnehmer weiter beschäftigen müssen.
Die Folge: Der Arbeitgeber gerät rückwirkend in Annahmeverzug und muss für die Zeit zwischen Kündigung und Klärung der Rechtslage unter Umständen den vollen Lohn nachzahlen, auch wenn der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat.
Wann entsteht Annahmeverzug nach einer Kündigung? Aktuelle Leitlinien des BAG
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat den Annahmeverzug in mehreren wichtigen Urteilen konkretisiert:
Der Arbeitgeber kommt durch Ausspruch einer rechtsunwirksamen ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist in Annahmeverzug, ohne dass es eines – auch nur wörtlichen – Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf, denn mit der Kündigung selbst bringt der Arbeitgeber bereits zum Ausdruck, dass er die Arbeitsleistung nicht mehr annehmen will.
Der Arbeitgeber gerät gemäß § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung aus in seiner Person liegenden Gründen zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit ist somit neben dem Leistungswillen eine Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss.
Aber: Grundsätzlich hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung außer Stande war.
BAG, 19.01.2016 – 2 AZR 449/15
Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung in Annahmeverzug geraten, muss er, um den Annahmeverzug zu beenden, den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Die Erledigung des Kündigungsrechtsstreits ändert daran nichts. Auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft von sich aus anzubieten.
BAG, 29.03.2023 – 5 AZR 255/22
Während eines Kündigungsschutzprozesses kann der Arbeitgeber den Annahmeverzug nur verhindern, wenn er ausdrücklich und ernsthaft eine zumutbare Weiterbeschäftigung anbietet.
Wie vermeiden Arbeitgeber die Lohnfalle?
Damit die Kündigung nicht zur teuren Kostenfalle wird, sollten Arbeitgeber einige Punkte beachten:
- Kündigung vorher prüfen lassen
Ist die Kündigung rechtlich wasserdicht? Bei Zweifeln frühzeitig Beratung bei einem Fachanwalt/Fachanwältin für Arbeitsrecht einholen.
- Angebot der Weiterbeschäftigung prüfen
- Pro: Durch eine Weiterbeschäftigung bis zur gerichtlichen Entscheidung können sich Annahmeverzugsansprüche begrenzen lassen.
- Contra: Die Prozessbeschäftigung bietet auch erhebliche Risiken. Insbesondere bei betriebsbedingten und verhaltensbedingten Gründen muss dies sehr genau abgewogen werden
- Goldene Regel: Nur anbieten, wenn es den Kündigungsgründen nicht widerspricht- sonst ist der Prozesserfolg gefährdet
- Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers prüfen
Ist der Arbeitnehmer arbeitsfähig? Bei längerer Krankheit entfällt der Anspruch auf Annahmeverzugslohn.
- Jobangebote strategisch nutzen
Übermitteln Sie Stellenangebote. Nach § 11 Nr. 2 KSchG muss der Arbeitnehmer sich anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine zumutbare Arbeit anzunehmen.
In einer Entscheidung des BAG vom 07.02.2024- 5 AZR 177/23 hat das Gericht deutlich gemacht, dass der Arbeitnehmer unter Abwägung der Interessen im Einzelfall über die Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit hinaus selbst tätig werden muss. Und es stellt klar, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, dem Arbeitnehmer geeignete Stellenangebote z.B. aus Zeitungsannoncen oder privaten „Jobportalen“ zu übermitteln, um ihn aktiv zur Prüfung anderweitiger Beschäftigungsoptionen zu veranlassen.
Aber:
Dies gilt nicht während der laufenden Kündigungsfrist. Hier hat das BAG erst am 12.02.2025-5 AZR 127/24 entschieden, dass der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig handelt, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein neues Beschäftigungsverhältnis eingeht.
Fazit: Prävention statt Nachzahlung!
Annahmeverzug nach Kündigung ist kein Schicksal, sondern Folge vermeidbarer Fehler!
👉 Daher gilt: Vor Ausspruch einer Kündigung unbedingt die rechtlichen Risiken prüfen!
Autorin: Nadja Langer Fachanwältin für Arbeits- und Strafrecht