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Widerruf am Bau: Allheilmittel oder Risiko für Verbraucher?

Ein Dach gedeckt, sauber gearbeitet – und am Ende bleibt der Handwerker auf allen Kosten sitzen. Kein Lohn, kein Materialersatz, kein Rechtsmittel. Was wie ein Albtraum klingt, ist für viele Bauunternehmer und Handwerker bittere Realität. Grund: das Widerrufsrecht. Was ursprünglich als Schutzinstrument für Verbraucher gedacht war, führt im Baualltag zu massiven wirtschaftlichen Schieflagen. Ein einmal ... Weiterlesen

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Ein Dach gedeckt, sauber gearbeitet – und am Ende bleibt der Handwerker auf allen Kosten sitzen. Kein Lohn, kein Materialersatz, kein Rechtsmittel. Was wie ein Albtraum klingt, ist für viele Bauunternehmer und Handwerker bittere Realität. Grund: das Widerrufsrecht.

Was ursprünglich als Schutzinstrument für Verbraucher gedacht war, führt im Baualltag zu massiven wirtschaftlichen Schieflagen. Ein einmal nicht korrekt erteilter Hinweis auf das Widerrufsrecht kann reichen, um den gesamten Vergütungsanspruch zu verlieren.

Gleichzeitig dürfen Verbraucher sich nicht zu sicher fühlen. Denn der Widerruf ist kein Allheilmittel, er birgt auch große Risiken. Wer widerruft, verliert unter Umständen seine gesetzlichen Gewährleistungsrechte – etwa auf Nachbesserung, Minderung oder Schadensersatz. Was als scheinbare Rückabwicklung beginnt, entpuppt sich im Ergebnis oft als rechtlicher Nachteil.

Der Fall: Ein Dach neu eingedeckt – und der Unternehmer geht leer aus

Dass der Widerruf im Werkvertragsrecht mehr als nur ein Ärgernis für Unternehmer sein kann, zeigt ein aktueller Fall aus der Rechtsprechung:

Ein Dachdecker saniert das Dach eines Einfamilienhauses – vollständig und fachgerecht. Zehn Monate nach Vertragsschluss widerruft der private Bauherr den Vertrag. Grund: Der Handwerker hatte ihn nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt. Der Unternehmer klagt auf Zahlung des Werklohns – und verliert.

Das OLG München (Beschl. v. 19.04.2021 – 28 U 7274/20 Bau) bestätigt: Mangels Belehrung bestand ein Widerrufsrecht für zwölf Monate und 14 Tage. Der Bauherr konnte also wirksam widerrufen – und schuldet keinen Wertersatz, da eine Rückgabe der Leistung nicht möglich ist und kein Verbraucherbauvertrag vorliegt.
Der BGH wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Der Unternehmer bleibt auf seiner kompletten Leistung sitzen – ohne Vergütung, ohne Materialrückgabe, ohne Eigentum.

Das Widerrufsrecht im Überblick

Nach § 355 BGB steht Verbrauchern bei sogenannten „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ oder Fernabsatzverträgen grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Das betrifft etwa:

– Auftragsvergaben an Handwerker im Haus oder auf der Baustelle
– Verträge, die telefonisch oder per E-Mail zustande kommen
– Online abgeschlossene Verträge mit Bauunternehmen oder Dienstleistern

Wird der Verbraucher korrekt über das Widerrufsrecht informiert, beginnt die Frist mit Vertragsschluss oder – bei Dienstleistungen – mit Beginn der Leistung. Erfolgt keine ordnungsgemäße Belehrung, verlängert sich das Widerrufsrecht auf bis zu zwölf Monate und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Das gilt selbst dann, wenn eine Belehrung erfolgt ist, die lediglich einen kleinen Fehler enthält.

Wann Verbraucher widerrufen – und warum das gefährlich sein kann

Ein häufiger Fall: Ein Handwerker wird zur Reparatur gerufen. Nach Abschluss der Arbeiten zeigt sich ein Mangel – etwa eine nicht fachgerecht installierte Heizung oder ein feuchter Keller trotz Abdichtung. Der Verbraucher fühlt sich übervorteilt und möchte „den ganzen Vertrag rückabwickeln“. Der Widerruf scheint naheliegend – und wird auch von Verbraucherzentralen oft empfohlen.

Doch: Der Widerruf führt zur Rückabwicklung – nicht zur Mängelbeseitigung. Die erbrachte Leistung wird rückabgewickelt, der Vertrag gilt als nie geschlossen. Damit entfallen aber auch sämtliche Rechte des Verbrauchers aus diesem Vertrag, insbesondere Gewährleistungsrechte nach § 634 BGB. Diese stehen Verbrauchern nur bei einem wirksamen Werkvertrag zu – nicht bei einem nachträglich widerrufenen Vertrag.

Rückabwicklung statt Nachbesserung: Die Folgen des Widerrufs im Baurecht

Wer widerruft, löst den Vertrag vollständig auf. Juristisch bedeutet das: Beide Seiten müssen die empfangenen Leistungen zurückgewähren. Doch im Baurecht ist das kaum möglich. Ein neu gedecktes Dach oder verputzte Wände lassen sich nicht einfach zurückgeben.

Deshalb sieht das Gesetz in § 357a BGB eine Wertersatzpflicht vor: Der Verbraucher muss den Wert der erbrachten Leistung zahlen, wenn sie nicht zurückgegeben werden kann.

Doch Vorsicht: Diese Pflicht entfällt, wenn der Unternehmer keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat. So wie im Fall des Dachdeckers. Ergebnis: Das Dach bleibt – die Zahlung entfällt.

Nur beim Verbraucherbauvertrag (§ 650i BGB) bleibt die Wertersatzpflicht erhalten – auch ohne Belehrung. Doch einfache Sanierungen, wie die Neueindeckung eines Daches, gelten nicht als Verbraucherbauvertrag. Nur Neubauten oder grundlegende Umbaumaßnahmen fallen darunter. Der Verbraucherbauvertrag hat in Sachen Widerruf ohnehin eine Sonderstellung: Ein Widerrufsrecht besteht immer, unabhängig von der Art und Weise des Zustandekommens und die Anforderungen an die korrekte Widerrufserklärung unterscheiden sich von den anderen Fallkonstellationen.

Was bedeutet das für Verbraucher?

Viele Verbraucher glauben, der Widerruf sei der einfachste Weg, sich von einem mangelhaften oder unliebsamen Bauvertrag zu lösen. Doch: Ein Widerruf ist kein Instrument zur Mängelbeseitigung, sondern führt zur vollständigen Rückabwicklung des Vertrags – mit weitreichenden Konsequenzen.

Wer widerruft, verliert sämtliche Gewährleistungsrechte nach § 634 BGB – insbesondere den Anspruch auf Nachbesserung, Minderung oder Schadensersatz. Der Vertrag gilt rechtlich als „nie geschlossen“. Das bedeutet: Es gibt keinen Anspruch mehr auf Beseitigung etwaiger Mängel.

Gerade bei Bau- oder Handwerksleistungen zeigen sich Mängel häufig erst Monate oder gar Jahre nach der Ausführung – zum Beispiel Undichtigkeiten im Dach, fehlerhafte Abdichtungen im Keller oder Rissbildungen im Putz. Solche Mängel können erhebliche Folgekosten verursachen, die deutlich über der ursprünglich vereinbarten Vergütung liegen.

Noch riskanter wird es, wenn bereits eine Zahlung geleistet wurde: Der Unternehmer ist bei wirksamem Widerruf verpflichtet, die empfangene Vergütung zu erstatten. Doch was, wenn ihm dafür die Liquidität fehlt? In der Praxis keine Seltenheit.

Die Folge: Der Verbraucher hat widerrufen, kann keine Gewährleistungsrechte mehr geltend machen – und bekommt unter Umständen auch sein Geld nicht zurück. Statt abgesichert zu sein, steht er dann rechtlich und wirtschaftlich mit leeren Händen da.

Unser Rat: Widerrufen Sie einen Vertrag nicht vorschnell. Wer mit der Ausführung unzufrieden ist oder Mängel vermutet, sollte zunächst seine gesetzlichen Rechte auf Nacherfüllung geltend machen – idealerweise mit anwaltlicher Unterstützung. Denn das Werkvertragsrecht bietet hierfür klare und durchsetzbare Regelungen

Was bedeutet das für Unternehmer?

Für Handwerksbetriebe, Bauunternehmen und Planungsbüros stellt das Widerrufsrecht ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dar. Die rechtlichen Konsequenzen aus der dargestellten Rechtsprechung sind gravierend:

– Keine Vergütung trotz vollständiger Leistung, wenn der Vertrag widerrufen wird
– Kein Wertersatz, wenn keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgt ist
– Kein Anspruch auf Rückgabe verbauter Materialien, da diese mit dem Einbau wesentlicher Bestandteil des Gebäudes werden (§ 946 BGB)

Besonders problematisch: Auch Nachträge können widerrufen werden, wenn sie als eigenständige Vertragsergänzungen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden – zum Beispiel direkt auf der Baustelle. Ebenso ist bei Fernabsatzverträgen (z. B. E-Mail-Korrespondenz mit Verbrauchern) das Widerrufsrecht zu beachten.

Was können Unternehmer tun?
Verträge möglichst in den eigenen Geschäftsräumen abzuschließen, ist aus rechtlicher Sicht der sicherste Weg – da hier kein Widerrufsrecht besteht (§ 312b BGB). In der Praxis ist das jedoch oft nicht realistisch, insbesondere bei Vor-Ort-Aufnahmen, Baustellenbesichtigungen oder kurzfristigen Abstimmungen mit Bauherren.

Umso wichtiger ist es daher, bei allen außerhalb von Geschäftsräumen oder im Wege der Fernkommunikation geschlossenen Verträgen – einschließlich Nachträgen – eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen. Diese muss nicht nur formal korrekt sein, sondern auch nachweisbar übergeben werden. Fehler in der Belehrung können im Ergebnis die gesamte Vergütung gefährden.

Fazit: Widerruf schützt den Verbraucher nicht umfassend, sondern kann seine Situation verschlimmern

Der Widerruf ist ein starkes Instrument des Verbraucherschutzes – aber kein Allheilmittel. Wer ihn unbedacht nutzt, verschenkt unter Umständen seine Rechte. Und Unternehmer, die den Belehrungspflichten nicht nachkommen, riskieren massive Verluste.

Der Fall des „kostenlosen Daches“ zeigt exemplarisch, wie gefährlich ein Widerruf sein kann – für beide Seiten.

Wir beraten Unternehmer und private Bauherren bei der rechtssicheren Vertragsgestaltung, Durchsetzung von Werklohnforderungen und Gewährleistungsansprüchen – außergerichtlich und vor Gericht.

Autorin: Karen Faehling, Rechtsanwältin – alpha Rechtsanwälte Fachanwälte PartG mbB

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