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Rote Ampel, grünes Licht für Rechtsbeschwerde: Ein Monat Fahrverbot auf dem Prüfstand

Wenn es um Verkehrsverstöße geht, ist die Rechtslage oft komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

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Wenn es um Verkehrsverstöße geht, ist die Rechtslage oft komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Ein aktueller Fall aus unserer Kanzlei zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, Bußgeldbescheide kritisch zu prüfen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Unser Mandant wurde durch einen Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle der Thüringer Polizei wegen Missachtung des Rotlichts einer Ampel zu einer Geldbuße von 200 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. ​

Was war passiert? Hinter unserem Mandanten fuhr in einigem Abstand ein Polizeifahrzeug. In gleicher Fahrtrichtung näherte sich ein Rettungswagen mit Sondersignalen. Polizei und Mandant ließen diesen passieren. Unser Mandant überfuhr dann die Ampelkreuzung- nach Meinung der Polizeibeamten bei Rot, wobei diese nach Auffassung der Beamten bereits länger als eine Sekunde rot gezeigt haben soll. Wir legten für unseren Mandanten Einspruch ein, und der Fall landete vor dem Amtsgericht Gotha. ​

Am 12. August 2024 bestätigte das Amtsgericht Gotha die Geldbuße und das Fahrverbot. Doch wir gaben uns damit nicht zufrieden und legten Rechtsbeschwerde ein. ​ Die Begründung: Die Urteilsgründe des Amtsgerichts waren lückenhaft und ermöglichten keine hinreichende Prüfung auf mögliche Rechtsfehler. ​

Das Thüringer Oberlandesgericht gab unserer Rechtsbeschwerde statt und hob das Urteil des Amtsgerichts Gotha auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Gotha zurück.

Das OLG Jena stellte in seiner Entscheidung vom 20.12.2024 -1 Orbs 351 SsBS 141/24 fest, dass das Urteil an durchgreifenden Darstellungsmängeln leidet. Es führte aus:

„Damit die Feststellungen eines von einem Zeugen beobachteten „qualifizierten“ Rotlichtverstoßes eine tragfähige Grundlage für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht bilden, ist es erforderlich, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen die von dem Zeugen angewandte Messmethode darstellt und sie hinsichtlich ihrer Beweiskraft bewertet (OLG Hamm NStZ-RR 2018, 124; KG-Beschluss v. 1.7.2021 3 Ws (8) 167/21, BeckRS 2021, 22664 Rn. 9). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

Zwar bedarf es für einen innerörtlichen Rotlichtverstoß – wie im vorliegenden Fall – neben der getroffenen Feststellung, dass der Betroffene bei Rot die Haltelinie überfahren hat und in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, keiner weiteren besonderen Angaben (KG Beschl. v. 17.2:2015 – 3 Ws (B) 24/15, BeckRS 2015, 11543 Rn. 5). Allerdings muss wegen der erheblichen Auswirkungen im Rechtsfolgenausspruch insbesondere die Feststellung, dass das Rotlicht – im maßgebenden Zeitpunkt des· Überfahrens der Haltelinie länger als eine Sekunde andauerte, vom Tatrichter nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet werden (OLG Köln Beschl. v. 2.1.2001 – Ss 537/00 (8) 223 B, BeckRS 2001, 10185 Rn. 10). Soll aber durch Zeugenbeweis und ohne technische Hilfsmittel ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, so ist eine kritische Würdigung des Beweiswertes geboten (KG a.a.O Rn. 10).

Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass die Lichtzeichenanlage länger als eine Sekunde rot war. Aufgrund welcher festgestellten tatsächlichen Anhaltspunkte das Amtsgericht diesen Schluss zieht, wird im Rahmen der Beweiswürdigung allerdings in keiner Weise ersichtlich. Das Amtsgericht hat sich lediglich darauf beschränkt festzustellen, dass keine Zweifel an der Aussage der Zeugen bestehen. Es teilt insofern aber keine zureichenden Anknüpfungstatsachen mit, welche den Schluss zulassen würden, dass die Lichtzeichenanlage bereits länger als 1 Sekunde rot war. Soweit das Amtsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung feststellt, dass die Ampel schon beim Heranfahren des Betroffenen an die Ampel und beim Passieren durch den Rettungswagen auf rot zeigte, fehlt der Beweiswürdigung in Bezug auf die angenommene „Qualifizierung“ des Rotlichtverstoßes, also den Umstand einer bereits länger als eine Sekunde andauernden Rotlichtphase, somit eine tragfähige Grundlage; sie ist daher lückenhaft.

Es bleibt letztlich offen, wie die Polizeibeamten die Dauer des Rotlichtverstoßes ermittelt haben. Tatsächliche Anhaltspunkte, welche dem Senat wenigstens eine Plausibilitätsprüfung ermöglichten wie das Amtsgericht zu seiner Überzeugung gelangt ist, wie etwa die Geschwindigkeit des Betroffenen und sein Abstand von der Haltelinie beim Umschalten auf Rotlicht, teilt das Urteil nicht mit.“

Damit macht das OLG deutlich, dass auch „Polizeizeugen“ eine kritische Prüfung durch den Tatrichter nicht entbehrlich machen.

Im Weiteren verweist das OLG darauf, dass das Amtsgericht die Annahme eines atypischen Rotlichtverstoßes zu Unrecht abgelehnt hat. Hierzu heißt es in den Gründen:

„Liegen – wie im vorliegenden Fall – ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines „atypischen Rotlichtverstoßes“ vor, ist der Tatrichter aufgrund der Gesamtumstände nicht von der Prüfung entbunden, ob die Regelsanktion ausnahmsweise unangemessen erscheint (KG, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 3 Ws (B) 492/13 -). Dies hat das Amtsgericht vorliegend versäumt. Die besondere Gefährdungslage, die üblicherweise das Verhängen eines Fahrverbotes erforderlich macht, ist anhand der getroffenen Feststellungen nicht hinreichend nachvollziehbar. Nach den getroffenen Feststellungen ist der Betroffene durch langsames Überrollen der Kreuzung, also mit einer geringen Geschwindigkeit in den geschützten Bereich eingefahren. Zudem hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene zuvor durch einen Rettungswagen überholt wurde. Mithin liegen gewichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falls vor, wozu sich das Urteil allerdings nicht verhält.“

Der Fall wird nun erneut geprüft. Nachdem sich das OLG bereits klar positioniert hat, gehen wir von einem positiven Ausgang für unseren Mandanten aus.

Autorin: Nadja Langer -Fachanwältin für Strafrecht

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