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Kündigung: Macht’s gut, ich bin dann mal weg! Dauerbrenner Arbeitsunfähigkeit nach Kündigung

Der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bleibt ein praxisrelevantes Dauerthema. Grundsätzlich kommt der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zu.

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Der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bleibt ein praxisrelevantes Dauerthema. Grundsätzlich kommt der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zu. Legt der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, ist normalerweise der Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erbracht.

So manchem Arbeitgeber war die zuweilen landläufig geübte Praxis von Arbeitnehmern nach einer Kündigung erkrankt zu sein, ein Dorn im Auge. So ist es wenig verwunderlich, dass sich mehrere Landesarbeitsgerichte (LAG) und nicht zuletzt auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) wiederholt mit der Erschütterung des Beweiswertes von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Zusammenhang mit Kündigungen befassen mussten. Auch 2024 brachte eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, die auf der neuen Linie liegt. Die Rechtsprechung zeigt sich mittlerweile deutlich „offener“ für die Annahme einer Erschütterung des Beweiswertes.

Der erste Paukenschlag des BAG stammt bereits vom 08.09. 2021 – 5 AZR 149/21 – hier heißt es im Leitsatz:

„Wird ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis kündigt, am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.“

Schon hier stellte das BAG klar, dass es nicht darauf ankommt, ob es sich um eine Kündigung des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers handelt.

In der Entscheidung sah das BAG aufgrund des zeitlichen Zusammentreffens zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Beginn und Ende der Kündigungsfrist ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit. Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer (wieder) die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 3 Abs. 1 EFZG trägt.

Mit seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 18.09.2024 hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nur in den Fällen erschüttert ist, wenn der Zeitraum passgenau der Kündigungsfrist entspricht. Maßgeblich ist, dass der Arbeitnehmer zu einem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass das Arbeitsverhältnis enden soll, arbeitsunfähig wird und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bleibt. Ebenso ist es nach Auffassung des Gerichtes unerheblich, ob eine oder mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen den Zeitraum der Kündigungsfrist abdecken. Auch nicht von Belang ist es, ob eine oder mehrere verschiedene nach ICD-10 kodierte Diagnosen attestiert sind.

Für Arbeitgeber lohnt es sich daher den Anspruch auf Entgeltfortzahlung arbeitsrechtlich genau zu prüfen und eine Zahlung zu verweigern, wenn begründete Zweifel am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit bestehen.

Je mehr Indizien gesammelt werden, umso geneigter wird das Gericht sein, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert anzusehen. Hier macht es Sinn auch auf Details zu achten. Ein nach Kündigung bereits ausgeräumter Spint oder Schreibtisch, eine Verabschiedung von den Kollegen oder auch Online-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind Argumente, die überzeugen können.

Meine Empfehlung an Arbeitgeber: Bei begründeten Zweifeln zunächst dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, die Zweifel zu beseitigen. Gelingt das nicht, die Entgeltfortzahlung verweigern.

Autorin: Nadja Langer– Fachanwältin für Arbeitsrecht

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