Startseite - Wenn der Nachbar baut: Was kann man gegen eine Baugenehmigung tun?

Wenn der Nachbar baut: Was kann man gegen eine Baugenehmigung tun?

Nicht selten sorgt ein Bauvorhaben in der Nachbarschaft für Unruhe: Ein Mehrfamilienhaus verschattet den Garten, ein Gewerbebau erzeugt Lärm, ein Anbau zerstört den freien Blick. Schlimmer noch, die Baufahrzeuge rollen plötzlich auf das Nachbargrundstück und es wird ohne vorherige Ankündigung mit dem Bauen begonnen. Wer sich in diesen Momenten in seinen Rechten verletzt fühlt, stellt ... Weiterlesen

Kategorie:

Nicht selten sorgt ein Bauvorhaben in der Nachbarschaft für Unruhe: Ein Mehrfamilienhaus verschattet den Garten, ein Gewerbebau erzeugt Lärm, ein Anbau zerstört den freien Blick. Schlimmer noch, die Baufahrzeuge rollen plötzlich auf das Nachbargrundstück und es wird ohne vorherige Ankündigung mit dem Bauen begonnen.

Wer sich in diesen Momenten in seinen Rechten verletzt fühlt, stellt sich die Frage:

Kann ich etwas gegen die Baugenehmigung meines Nachbarn unternehmen?

Tatsächlich gewährt das öffentliche Baurecht auch Nachbarn unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsschutz gegen Baugenehmigungen. Doch nicht jede Unzufriedenheit begründet die Grundlage für ein rechtliches Vorgehen.

In diesem Beitrag beleuchten wir die rechtlichen Grundlagen, die Anforderungen an eine zulässige Anfechtungsklage und die zu beachtenden Fristen.

Baugenehmigung und Nachbarrechte: Was ist erlaubt?

Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt, der einem Bauherrn die Erlaubnis erteilt, ein geplantes Bauvorhaben zu verwirklichen. Das zuständige Bauamt prüft dabei die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften – wie z. B. das Baugesetzbuch (BauGB), die Landesbauordnung (LBO) und gegebenenfalls Bebauungspläne.

Die erteilte Baugenehmigung entfaltet jedoch auch eine Außenwirkung gegenüber den Nachbarn. Denn sie erlaubt dem Bauherrn unter Umständen bauliche Maßnahmen, die sich auch auf die Nachbargrundstücke auswirken können – etwa durch

  • Unterschreitung von Abstandsflächen,
  • Lärm- oder Geruchsemissionen,
  • unzumutbare Verschattung oder Einsichtnahme oder
  • optisch überdimensionierte Baukörper.

In diesen Fällen kann es angezeigt sein, als Nachbar die Baugenehmigung anzugreifen. Aber es gilt hierbei zu beachten, dass nicht jede „Unannehmlichkeit“ oder ein Nachteil einen individuellen Anspruch des Nachbarn begründen.

Widerspruch gegen Baugenehmigung: Wann ist ein Widerspruch oder eine Klage sinnvoll?

Im deutschen Rechtssystem gibt es den sogenannten Drittschutz – dies sind Normen, die für einen Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht begründen und vor einer zu großen Beeinträchtigung durch ein Bauvorhaben schützen sollen.

Der Nachbar des Bauherrn kann sich daher nur dann erfolgreich gegen dessen Baugenehmigung wehren, wenn die verletzte Vorschrift nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz seiner individuellen Interessen dient.

Typische drittschützende Vorschriften sind etwa die Regelungen über

  • Abstandsflächen, die vor allem dem Schutz vor Belichtung, Belüftung und Einsicht dienen,
  • die Gebietsverträglichkeit nach § 34 ff. BauGB, wonach sich ein Bauvorhaben in die Eigenart des Baugebiets einfügen muss,
  • Immissionsschutz nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz schützt vor unzumutbarem Lärm, Geruch oder Erschütterung,
  • Festsetzungen eines Bebauungsplans – etwa zur maximal zulässigen Gebäudehöhe oder zu Baugrenzen –, die dem Nachbarschutz dienen.

Kein Schutz besteht hingegen gegen

  • rein ästhetische Beeinträchtigungen,
  • einer versperrte Aussicht oder
  • dem bloßen Wertverlust des eigenen Grundstücks.

Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegen: So funktioniert’s

In Thüringen gibt es nach wie vor die Möglichkeit, gegen eine Baugenehmigung Widerspruch zu erheben. Anders in Bayern: Da wurde die Widerspruchsmöglichkeit abgeschafft – dort bleibt nur die direkte Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht.

Der Widerspruch ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Baugenehmigung zu erheben. Sofern der Nachbar direkt am Widerspruchsverfahren beteiligt war, bekommt er einen Brief zugestellt und die Frist kann unproblematisch berechnet werden.

Sollte der Nachbar allerdings nicht am Genehmigungsverfahren beteiligt worden sein und das Datum der Erteilung der Baugenehmigung unbekannt sein, gilt für ihn eine maximale Widerspruchsfrist von einem Jahr, beginnend ab Erteilung der Baugenehmigung.

Es ist allerdings zu empfehlen, möglichst frühzeitig tätig zu werden, sobald man von einem Bauvorhaben oder einer Baugenehmigung Kenntnis erlangt. In diesem Fall kann über eine Akteneinsicht des eingeschalteten Rechtsanwalts die Erfolgsaussicht eines Widerspruchs geprüft werden.

In diesem Zusammenhang ist noch wichtig zu erwähnen, dass der Widerspruch oder eine anschließende Klage gegen eine Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung haben. Mit anderen Worten darf der Bauherr das Bauvorhaben (auf eigene Gefahr) weiter vorantreiben, bevor die Genehmigung rechtskräftig ist. Dies birgt das Risiko in sich, dass nach der Beendigung des Widerspruchs- oder Klageverfahrens unter Umständen Teile des Baus abgeändert oder das Bauwerk vollständig beseitigt werden muss.

Sofern ein Widerspruch erhoben wird, wird die Ausgangsbehörde erst selbst prüfen, ob der Widerspruch begründet ist und diesen sodann an die Widerspruchsstelle (Thüringer Landesverwaltungsamt) abgeben. Am Ende des Widerspruchsverfahrens wird entweder ein Abhilfebescheid erlassen – das bedeutet, dass der Widerspruch erfolgreich war und der Bauherr das Vorhaben entweder abändern muss oder gar nicht realisieren darf – oder es wird ein Widerspruchsbescheid erlassen, wenn die Widerspruchsbehörde der Auffassung ist, dass der Widerspruch unbegründet ist.

Klage gegen die Baugenehmigung: das Verwaltungsgericht entscheidet

Für den Fall, dass die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unbegründet zurückweist, bleibt für den Nachbarn nur die Möglichkeit, eine Anfechtungsklage beim zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben.

Die Klage ist innerhalb eines Monats ab Zustellung des Widerspruchsbescheids zu erheben. Es ist dann die Aufgabe des zuständigen Verwaltungsgerichts zu überprüfen, ob die in der Klage vorgetragenen Argumente gegen die Erteilung der Baugenehmigung durchgreifen und der Nachbar gegebenenfalls durch eine gerichtliche Entscheidung zur Abänderung des Bauvorhabens verpflichtet wird.

Sollte auch das Gericht der Auffassung sein, dass keine drittschützende Norm verletzt ist, wird die Klage abgewiesen und der Nachbar muss die erteilte Baugenehmigung in dieser Form akzeptieren.

Eilverfahren bei Baugenehmigung: Einstweiliger Rechtsschutz

Wie oben bereits ausgeführt, haben Widerspruch oder eine Klage keine aufschiebende Wirkung und der Bauherr kann das Bauvorhaben vorantreiben.

In sehr engen Voraussetzungen kann der Nachbar unter Umständen einstweiligen Rechtsschutz nach § 80a, § 123 VwGO beantragen, um die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs oder der Klage wiederherstellen zu lassen. In diesem Fall wäre der Bauherr gezwungen, das Bauvorhaben ruhen zu lassen, bis die Baugenehmigung rechtskräftig ist.

Die Grundvoraussetzung hierfür ist, dass es einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund gibt. Vereinfacht ausgedrückt muss das Interesse des Nachbarn an der aufschiebenden Wirkung das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bauherrn überwiegen. Im Eilverfahren handelt es sich üblicherweise um eine summarische Prüfung. Mit anderen Worten wird ein Gericht in diesem Fall anhand der Aktenlage abschätzen, ob ein Hauptsacheverfahren gegen die Baugenehmigung überhaupt Aussicht auf Erfolg haben könnte.

Im Anschluss an das Eilverfahren muss allerdings noch das Hauptsacheverfahren durchgeführt werden. Vor dem Hintergrund, dass das erkennende Gericht den Fall bereits nach Aktenlage prüft, kann hieraus natürlich auch in gewisser Weise abgeleitet werden, ob ein Hauptsacheverfahren Aussicht auf Erfolg haben wird. Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine Tendenz. Es gab in der Vergangenheit durchaus Konstellationen, bei denen das Eilverfahren erfolglos geblieben ist, in der Hauptsache dennoch ein Erfolg erzielt werden konnte.

Klage erfolglos: Gibt es weitere Möglichkeiten für Nachbarn?

Sollte aus Sicht des Nachbarn der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg ausgeschöpft worden sein, bedeutet das allerdings noch nicht das Ende seiner rechtlichen Möglichkeiten. Auch zivilrechtlich gibt es Möglichkeiten, sich gegen Bauvorhaben eines Nachbarn zu wehren. Hierfür ist es allerdings notwendig, dass nachbarrechtliche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches verletzt worden sind und der Nachbar durch ein Bauvorhaben erheblich beeinträchtigt worden ist.

In diesen Fällen kann es unter Umständen zivilrechtliche Ansprüche auf eine bauliche Abänderung oder sogar einen Rückbau geben. Diese Konstellationen sind in der Praxis allerdings recht selten.

Nachbarbeteiligung: Zustimmung mit Vorsicht

In einigen Fällen sieht das Bauordnungsrecht eine formelle Beteiligung der Nachbarn vor – etwa durch Aushang oder Anhörung. Wurde der Nachbar korrekt beteiligt und dessen Argumente bereits vollständig bei der Entscheidung berücksichtigt, wird es im Rahmen eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens natürlich schwieriger, die Interessen des Nachbarn durchzusetzen.

Hat der Nachbar im Rahmen der Beteiligung dem Bauvorhaben sogar ausdrücklich zugestimmt, verliert er in der Regel das Recht, sich später auf eine Verletzung zu berufen. Es gilt daher genau abzuwägen, ob man einem Bauvorhaben bereits vorab zustimmt. Hiervon ist grundsätzlich, ohne eine vorherige Prüfung, abzuraten.

Was tun bei einem Schwarzbau in der Nachbarschaft?

In seltenen Fällen errichten Bauherren ohne jegliche Genehmigung einen Schwarzbau. Hier hat der Nachbar ebenfalls das Recht, sich an die Bauaufsicht zu wenden und eine bauaufsichtliche Verfügung (z. B. Baustopp oder Rückbau) zu verlangen. Die Ansprüche des Nachbarn richten sich hierbei allerdings auf ein Einschreiten der Behörde, die zum Schutz des Nachbarn tätig werden muss. Dieses Einschreiten kann durch einen Baustopp oder im Extremfall sogar durch eine Abrissverfügung ausgestaltet sein.

Konflikt mit dem Bauherrn: Außergerichtliche Lösungen nutzen

Nicht jeder Konflikt muss zwangsläufig vor Gericht enden. In vielen Fällen lohnt sich eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem Bauherrn oder der Bauaufsicht. Gespräche können Missverständnisse klären oder zu Kompromisslösungen führen – etwa eine versetzte Bauweise, eine geänderte Fassadengestaltung oder zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen.

Auch die Einsichtnahme in die Bauakten kann aufschlussreich sein, um das genaue Ausmaß des Vorhabens zu verstehen und mögliche Rechtsverstöße zu erkennen.

Fazit: Rechtsschutz bei Baugenehmigung gezielt nutzen

Wer sich durch das Bauvorhaben eines Nachbarn beeinträchtigt fühlt, sollte schnell handeln, seine Rechte prüfen lassen und die laufenden Fristen wahren. Der Nachbarrechtsschutz bietet durchaus Möglichkeiten, sich gegen unzulässige Baugenehmigungen zur Wehr zu setzen – aber nur bei Verletzung drittschützender Normen.

Der erste Schritt sollte immer eine fundierte rechtliche Einschätzung sein – idealerweise durch einen im Baurecht spezialisierten Rechtsanwalt. Hierfür stehen Ihnen in unserer Kanzlei die Rechtsanwälte Christian Thiel , Martin Straube und Karen Faehling zur Verfügung.

Wer zu lange wartet oder auf einer falschen Grundlage klagt, verliert nicht nur Zeit und Geld – sondern möglicherweise auch unwiederbringlich seine Rechte.

Autor: Christian Thiel, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Baurecht & Architektenrecht

Direkter Kontakt – schnell & einfach!