Als spezialisierte Rechtsanwälte für Immobilienrecht und Baurecht beschäftigen wir uns oft mit dem Thema des Exposé beim Verkauf von Immobilien. Exposés für Immobilien sind mehr als Werbung. Sie sind – zumal bei Bauträger- und Projektentwicklungsprojekten – häufig das entscheidende Dokument, das die Kaufentscheidung prägt. Deshalb kommt es rechtlich und wirtschaftlich darauf an, dass die dortigen Aussagen verlässlich sind. Denn unzutreffende, unvollständige oder missverständliche Angaben lösen, wie die aktuelle Rechtsprechung zeigt, erhebliche Haftungsfolgen aus. In diesem Beitrag bündeln wir die wesentlichen Rechtsgrundlagen, fassen aktuelle Urteile zusammen und liefern zugleich praxisnahe to‑dos für Erwerber und, gleichzeitig, klare Leitplanken für Bauträger und Projektentwickler.
1. Warum Exposés rechtlich heikel sind
Ein Exposé enthält regelmäßig konkrete Aussagen zu Baujahr, Modernisierungen, Ausstattung, Energiekennwerten und besonderen Eigenschaften. Käufer – private Erwerber ebenso wie institutionelle Investoren – dürfen sich darauf grundsätzlich verlassen. Rechtlich relevant sind diese Aussagen in zweierlei Hinsicht: Einerseits können sie – sofern sie ausdrücklich in den notariellen Kaufvertrag übernommen werden – eine vereinbarte Beschaffenheit begründen (§ 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Andererseits prägen sie, selbst wenn sie nicht Vertragsbestandteil werden, die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwartbare Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F.; zur Fortgeltung des Grundgedankens im neuen Recht vgl. die aktuelle Rechtsprechung). Folglich gilt: Was im Exposé versprochen wird, muss – jedenfalls im Kern – stimmen.
2. Haftungsgrundlagen kompakt – und warum der Haftungsausschluss oft nicht hilft
Aus unzutreffenden Exposé-Angaben können sich Ansprüche auf Nacherfüllung, Minderung oder Rücktritt ergeben (§ 437 BGB i.V.m. §§ 439, 441 BGB). Zusätzlich kommen – je nach Konstellation – Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 281 BGB in Betracht. Besonders wichtig ist außerdem § 444 BGB: Ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss greift nicht, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie übernommen hat. Mit anderen Worten: Selbst der sorgfältigste Haftungsausschluss schützt nicht vor Arglist.
3. Aktuelle Rechtsprechung: drei Leuchtturm-Entscheidungen
• BGH, Urteil vom 19.01.2018 – V ZR 256/16: Ein im Exposé als „trocken“ angepriesener Keller entpuppte sich als feucht. Obwohl der notarielle Vertrag die Haftung ausschloss, bejahte der BGH die Haftung, weil die Verkäufer – vor allem wegen eines frischen Anstrichs – die Feuchtigkeit verschwiegen hatten. Ergebnis: Arglist, also keine Schutzwirkung des Haftungsausschlusses. Das zeigt: Öffentlich beworbene Eigenschaften sind rechtlich hoch relevant und können, jedenfalls bei Arglist, durchgreifen.
• OLG Hamm, Urteil vom 19.12.2022 – 22 U 211/21: Das Maklerexposé pries eine „topsanierte“ Immobilie mit „modernster Haustechnik“ an. Nach dem Kauf stellte sich heraus, dass im zentral gelegenen Gäste‑WC die (erwartbare) Fußbodenheizung fehlte. Das OLG bejahte einen Sachmangel. Zudem kann die informatorische Anhörung der Parteien (§ 141 ZPO) zur Überzeugungsbildung hinsichtlich Arglist beitragen. Praktisch bedeutet das: Hochglanz‑Superlative bergen Beweis‑ und Haftungsrisiken.
• OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.2024 – 6 U 116/21: Das Exposé (und der Auslobungstext) enthielt das Baujahr „ca. 1964“; tatsächlich war das Gebäude von 1910. Weil der notariellen Urkunde die Exposé‑Angaben wörtlich zugrunde gelegt und „verbindlich anerkannt“ wurden, bejahte das OLG eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Konsequenz: Ein allgemeiner Haftungsausschluss greift daneben nicht. Bemerkenswert ist: Selbst die „circa“-Formulierung schloss die Vereinbarung nicht aus.
4. Typische Streitfelder – und wie sie sich vermeiden lassen
Gerade im Tagesgeschäft entstehen immer wieder identische Angriffspunkte. Deshalb sollten folgende Brennpunkte – ausdrücklich und prüfbar – adressiert werden:
• Wohnfläche: Abweichungen von mehr als 10 % sind regelmäßig erheblich und führen meist zur Minderung.
• Baujahr: Unplausible „ca.“‑Angaben oder große Abstände zwischen Exposé und Realität sind riskant.
• Modernisierungen/Ausstattung: Wird „topsaniert“ oder „modernste Haustechnik“ versprochen, müssen die Leistungen konsistent belegt sein.
• Keller/Dach: Aussagen wie „trocken“, „neuwertig“ oder „kein Sanierungsstau“ sind erklärungsbedürftig und zu belegen.
• Energieeffizienz: Zusagen zu Standards (z. B. KfW‑Niveau) oder Anlagentechnik müssen nachweislich erreicht werden.
5. Compliance für Bauträger und Projektentwickler – Checkliste für sichere Exposés
Damit Sie – trotz ambitionierter Vermarktungsziele – rechtlich sicher bleiben, empfehlen wir folgende, strikt dokumentierte Vorgehensweise:
1) Faktenbasis verifizieren: Baujahr, Flächen, Bauteile, Modernisierungen, Technik und Energiekennwerte anhand von Gutachten/Unterlagen prüfen.
2) Belegmappe führen: Beweisfotos, Pläne, Rechnungen, Abnahmen, Energieausweise, Fachunternehmer‑Bestätigungen strukturiert ablegen.
3) Wortwahl disziplinieren: Superlative („modernste“, „neuwertig“) sparsam und nur bei belastbarer Evidenz verwenden.
4) Konsistenz Exposé ↔ Vertrag: Wichtige Angaben in der notariellen Urkunde als Beschaffenheitsvereinbarung aufnehmen – oder bewusst relativieren.
5) Mängel offenlegen: Bekannte Probleme (Feuchtigkeit, Leitungsführung, Denkmalschutzauflagen etc.) klar benennen; das reduziert Arglist‑Risiken (§ 444 BGB).
6) Letzter Rechts‑/Technik‑Check vor Veröffentlichung: Vier‑Augen‑Prinzip aus Vertrieb + Technik + Recht.
6. Due Diligence für Käufer – so schützen Sie Ihren Kaufpreis
Käufer sollten – umgekehrt – Informationsvorsprünge nutzen und Risiken systematisch minimieren. Deshalb empfehlen wir:
• wesentliche Exposé‑Aussagen (Baujahr, Wohnfläche, Technik, Sanierungen) als Beschaffenheitsvereinbarung in den Kaufvertrag übernehmen lassen;
• mit eigenen Sachverständigen Besichtigung durchführen; insbesondere Keller, Dach, Haustechnik und Feuchtemessungen dokumentieren;
• Nachweise anfordern (Energieausweis, Rechnungen, Inbetriebnahme‑Protokolle);
• bei Zweifeln an „circa“-Angaben: Klarstellung verlangen oder vertragliche Risikoteilung (Preisnachlass/Abschlag) vereinbaren.
• bei Verdacht auf Verschweigen nach dem Kauf: Beweise sichern; notfalls selbständiges Beweisverfahren einleiten.
7. Vertragsgestaltung: Exposé richtig in die Urkunde integrieren – oder bewusst abgrenzen
In der Praxis stellt sich stets die Kernfrage: Sollen Exposé‑Aussagen Vertragsinhalt werden? Einerseits schafft die Aufnahme als Beschaffenheitsvereinbarung klare Erwartungen und Rechtssicherheit. Andererseits erhöht sich damit das Haftungsregime. Deshalb empfehlen wir, je nach Risikoprofil, zwischen drei Modellen zu wählen:
• Modell A – Integration: Exposé (oder eine bereinigte Fassung) wird in der Urkunde wörtlich in Bezug genommen und „verbindlich anerkannt“.
• Modell B – Selektion: Nur prüfbare Kernaussagen (z. B. Wohnfläche, Baujahr, konkrete technische Spezifikationen) werden als Beschaffenheit vereinbart.
• Modell C – Abgrenzung: Exposé dient ausdrücklich nur der unverbindlichen Vorabinformation; Vertrag enthält abschließende Beschaffenheitsklausel.
8. Beweis, Prozess und Kosten – pragmatisch gedacht
Im Streitfall entscheiden Beweise. Daher sind frühzeitige, geordnete Nachweise entscheidend. Käufer profitieren von einem selbständigen Beweisverfahren (Sachverständigengutachten), Bauträger von sauberer Baudokumentation. Interessant ist, dass Gerichte – wie das OLG Hamm – die informatorische Anhörung der Parteien (§ 141 ZPO) heranziehen, um Arglist zu beurteilen. Das Kostenrisiko bleibt beherrschbar, wenn Sie früh die richtigen Beweisthemen definieren. Wir meinen, das selbständige Beweisverfahren ist hier das Mittel der Wahl. Denn als Antragsteller dominieren Sie die Fragestellung im Verfahren – gleich ob Käufer/Erwerber oder Bauträger/Verkäufer.
9. Häufige Fragen (FAQ)
Wann ist ein „circa“-Baujahr noch zulässig? – Wenn die Spanne plausibel ist und keine irreführende Erwartung weckt. Wird das Exposé als verbindlich anerkannt, kann selbst ein „ca.“‑Baujahr eine Beschaffenheitsvereinbarung sein (OLG Hamburg, 12.12.2024 – 6 U 116/21).
Gilt ein allgemeiner Haftungsausschluss immer? – Nein. Bei Arglist (§ 444 BGB) greift er nicht. Das zeigen u. a. BGH V ZR 256/16 und OLG Hamm 22 U 211/21.
Reichen blumige Begriffe wie „topsaniert“? – Nur mit Substanz: Dokumentation und belastbare Nachweise sind Pflicht, andernfalls droht Minderung oder Schadensersatz.
Sind Maklerangaben dem Verkäufer zuzurechnen? – Ja, regelmäßig als öffentliche Äußerungen; jedenfalls prägen sie die Erwartung des Käufers.
Fazit
Kurzum: Exposés sind rechtlich verbindlicher, als es die Marketing‑Rhetorik vermuten lässt. Deshalb sollten Bauträger und Projektentwickler ihre Prozesse – von der Faktenprüfung bis zur Vertragsformulierung – verbindlich aufsetzen.
Käufer wiederum sollten entscheidende Angaben konsequent in den Vertrag heben. Gern prüfen wir Ihr Exposé, strukturieren die Beschaffenheitsklauseln und begleiten Verhandlungen – damit Vermarktung und Rechtssicherheit zusammenpassen.
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Rechtsanwalt Martin Straube – Fachanwalt für Baurecht und Architektenrecht