Startseite - Zwischen Bonus und Risiko: Aktuelle Rechtsprechung zu Dienstwagenregelungen

Zwischen Bonus und Risiko: Aktuelle Rechtsprechung zu Dienstwagenregelungen

Ein Dienstwagen gehört für viele Arbeitnehmer zu den begehrtesten Vergütungsbestandteilen – und für Arbeitgeber ist er ein effektives Instrument zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Doch die Überlassung eines Firmenfahrzeugs, insbesondere zur privaten Nutzung, ist rechtlich anspruchsvoll und berührt arbeitsrechtliche, steuerliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Dieser Beitrag erläutert, was beide Seiten bei der Dienstwagennutzung beachten müssen ... Weiterlesen

Kategorie:

Ein Dienstwagen gehört für viele Arbeitnehmer zu den begehrtesten Vergütungsbestandteilen – und für Arbeitgeber ist er ein effektives Instrument zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Doch die Überlassung eines Firmenfahrzeugs, insbesondere zur privaten Nutzung, ist rechtlich anspruchsvoll und berührt arbeitsrechtliche, steuerliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Dieser Beitrag erläutert, was beide Seiten bei der Dienstwagennutzung beachten müssen – auf Basis aktueller höchstrichterlicher Entscheidungen.

Vertragliche Grundlagen: Was muss im Dienstwagenvertrag stehen?

Für Arbeitgeber:   

Die Überlassung eines Dienstwagens sollte stets schriftlich geregelt werden – idealerweise in einer separaten Dienstwagenvereinbarung. Wesentliche Regelungspunkte umfassen:

– Zulässigkeit privater Nutzung

– Tragung laufender Kosten (Treibstoff, Versicherung, Wartung)

– Rückgabepflichten, -zeitpunkte und -orte

– Widerrufsvorbehalte des Arbeitgebers

Fehlen klare Vereinbarungen, drohen Konflikte – etwa zur Nutzungsberechtigung während Krankheit oder Freistellung. Der rechtswidrige Entzug eines privat genutzten Dienstwagens kann einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung begründen.

Für Arbeitnehmer: 

Ohne ausdrückliche vertragliche Erlaubnis besteht kein Recht auf private Nutzung. Der Hinweis auf eine bisherige Duldung genügt nicht – im Zweifel ist nur die dienstliche Nutzung gestattet.

Dienstwagen als Vergütungsbestandteil: Aktuelle BAG-Urteile

Für Arbeitgeber: 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat u.a. im Urteil vom 31.05.2023 – 5 AZR 273/22 klargestellt: Wird der Dienstwagen auch privat überlassen, handelt es sich um einen echten Vergütungsbestandteil (§ 107 Abs. 2 GewO ). Die Fahrzeugüberlassung ist damit kein freiwilliger Bonus, sondern vertragliche Gegenleistung. Ein Entzug ohne rechtliche Grundlage oder angemessenen Ausgleich ist unzulässig.

Für Arbeitnehmer: 

Die Privatnutzung stellt einen geldwerten Vorteil dar – also einen Gehaltsbestandteil. Bei vertragswidrigem Entzug kann der Arbeitnehmer Nutzungsentschädigung verlangen (BAG, Urteil vom 31.05.2023 – 5 AZR 273/22).

Widerruf und Rückgabe: Wann ist der Entzug rechtmäßig?

Für Arbeitgeber: 

Nach einem Urteil des LAG Hamm (23.01.2024 – 6 Sa 1030/23) darf der Dienstwagen nicht einfach entzogen werden, solange Arbeitsentgelt gezahlt wird – auch nicht während Krankheit oder Freistellung. Die private Nutzung eines Dienstwagens ist eine freiwillige Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, deren Widerruf besondere Sorgfalt erfordert.

 Widerrufsvorbehalte rechtssicher gestalten

1.Schriftform und Transparenz 

   Der Widerrufsvorbehalt muss im Vertrag explizit und konkret formuliert sein. Pauschalklauseln („kann widerrufen werden“) sind unwirksam.

2. Konkretisierung der Widerrufsgründe 

   Beispiele wirksamer Formulierungen:

   – „Bei grober Verletzung der Sorgfaltspflichten im Umgang mit dem Fahrzeug“

   – „Bei Entziehung der Fahrerlaubnis“

   – „Bei längerer Arbeitsunfähigkeit (> 6 Wochen) oder ruhendem Arbeitsverhältnis

3. Wichtiger Grund und Verhältnismäßigkeit 

 Selbst bei wirksamer Klausel setzt ein Widerruf einen wichtigen Grund. Die Gerichte prüfen dies streng und verlangen die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Anerkannte Widerrufsgründe in der Rechtsprechung:

– Wirtschaftliche Gründe: Nachweisliche, erhebliche Verschlechterung der Unternehmenslage

– Fehlverhalten: Wiederholte grobe Verstöße gegen Nutzungsregeln, Fahren unter Alkoholeinfluss

– Betriebliche Gründe: Wegfall der Tätigkeit, für die das Fahrzeug essenziell war

Aktuelle Klarstellung: Das BAG entschied erst am 12.02.2025 (5 AZR 171/24), dass selbst bei wirksamer Widerrufsklausel der Widerruf billigem Ermessen entsprechen muss. Aufgrund der steuerlichen Regelung (Versteuerung immer für den Kalendermonat) wird dies regelmäßig nur zum Monatsende möglich sein.

Für Arbeitnehmer: 

Bei Freistellung behält der Arbeitnehmer den Nutzungsanspruch, sofern der Vertrag nichts Abweichendes vorsieht. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet die Nutzungsberechtigung sofort.

Achtung!

Ein Entzug der Privatnutzung über einen Widerruf ist grundsätzlich nicht möglich, wenn durch den Wegfall das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung grundlegend berührt ist, hiervon ist auszugehen, wenn die Nutzung mindestens 25 % des regelmäßigen Verdienstes ausmacht- so das BAG bereits in seiner Entscheidung vom 21.03.2012- 5 AZR 651/10.

Steuerliche Aspekte: 1 %-Regelung vs. Fahrtenbuch

Für Arbeitgeber: 

Die private Nutzung eines Dienstwagens gilt als Arbeitslohn (§ 19 EStG) und unterliegt der Lohnsteuerpflicht. Die korrekte Versteuerung erfolgt entweder:

– nach der 1 %-Regelung, oder

– mittels ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs.

Für Arbeitnehmer: 

Auch bei „kostenloser“ Nutzung zahlen Sie faktisch über die Lohnsteuer mit. Bei häufigen Privatfahrten ist die 1 %-Regelung oft günstiger – bei geringer privater Nutzung kann ein Fahrtenbuch steuerliche Vorteile bieten.

Gleichbehandlung und Mitbestimmung: Rechte für Arbeitnehmer

Für Arbeitgeber: 

Dienstwagen dürfen nicht willkürlich vergeben werden. Objektive Kriterien wie Position, Außendiensttätigkeit oder Verantwortung sind essenziell. Besondere Vorsicht gilt bei Betriebsratsmitgliedern: Nach § 78 Satz 2 BetrVG sind unzulässige Begünstigungen zu vermeiden.

Für Arbeitnehmer: 

Bei ungerechtfertigter Ungleichbehandlung bei der Dienstwagenvergabe können Ansprüche bestehen. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung setzt jedoch vergleichbare Tätigkeit und Verantwortlichkeit voraus.

Fazit: Rechtssichere Gestaltung schützt beide Seiten

Die aktuelle Rechtsprechung unterstreicht: Transparenz und präzise Vertragsgestaltung sind unverzichtbar. Der Dienstwagen bleibt nur dann ein fairer Vorteil für beide Seiten, wenn klare Regelungen bestehen.

Unsere Empfehlung für Arbeitgeber:

– Schriftliche Dienstwagenvereinbarungen treffen

– Widerrufs- und Rückgaberechte rechtssicher formulieren

– Steuerliche Bewertung korrekt umsetzen

– Gleichbehandlungsgrundsatz wahren

Unsere Empfehlung für Arbeitnehmer:

– Private Nutzung nur bei ausdrücklicher Erlaubnis

– Geldwerten Vorteil und steuerliche Konsequenzen verstehen

– Rückgabepflichten bei Beendigung beachten

– Rechte bei unzulässigem Entzug kennen

Autorin: Nadja Langer, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Haben Sie Fragen zur rechtssicheren Gestaltung von Dienstwagenregelungen oder benötigen Sie Unterstützung bei der Durchsetzung Ihrer Rechte? Kontaktieren Sie uns gerne für eine fundierte Beratung.

Direkter Kontakt – schnell & einfach!