Fortbildungskosten spielen im modernen Arbeitsrecht eine zentrale Rolle. Unternehmen investieren zunehmend in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter, um konkurrenzfähig zu bleiben. Häufig übernimmt der Arbeitgeber die Kosten – jedoch unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit im Betrieb bleibt. Verlässt der Arbeitnehmer das Unternehmen vor Ablauf dieser Bindungsfrist, stellt sich regelmäßig die Frage: Darf der Arbeitgeber die Fortbildungskosten zurückfordern? Die jüngste arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat hierzu klare Vorgaben entwickelt, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen kennen sollten.
Rückzahlung von Fortbildungskosten: Rechtliche Grundlage und Voraussetzungen
Rückzahlungsvereinbarungen sind grundsätzlich zulässig. Es handelt sich aber um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das heißt: Sie müssen den strengen Anforderungen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB genügen und rechtlich transparent gestaltet sein.
Damit eine Rückzahlungsklausel wirksam ist, gelten insbesondere folgende Voraussetzungen:
1. Schriftform
Die Vereinbarung über die Rückzahlung von Fortbildungskosten sollte stets schriftlich erfolgen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
2. Klare Bindungsdauer
Es muss festgelegt sein, wie lange der Arbeitnehmer nach Abschluss der Fortbildung im Unternehmen verbleiben muss. Diese Bezugsdauer bildet die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung.
3. Zeitanteilige Rückzahlung (Staffel)
Die Rückzahlung muss anteilig „abschmelzen“. Jeder Monat Betriebszugehörigkeit nach Abschluss der Fortbildung reduziert den Rückzahlungsbetrag. Starre „Alles-oder-Nichts“-Klauseln sind regelmäßig unwirksam.
Aktuelle Rechtsprechung zu Fortbildungskosten – Die wichtigsten BAG-Entscheidungen
BAG, 1. März 2022 – 9 AZR 260/21
Das BAG verlangt differenzierte Rückzahlungsklauseln. Eine bloße Rückzahlungspflicht „bei Eigenkündigung“ genügt nicht. Die Klausel muss klarstellen, welche Kündigungsgründe dem Arbeitnehmer zugerechnet werden und welche nicht. Zudem ist eine transparente zeitanteilige Rückzahlungsstaffel erforderlich.
BAG, 25. April 2023 – 9 AZR 187/22
Das Gericht erklärte pauschale Rückzahlungsregelungen erneut für unwirksam, insbesondere wenn nicht erkennbar ist, ob der Abbruch oder Misserfolg der Fortbildung vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber zu vertreten ist. Beispiele: fehlende Prüfungszulassung, Verschiebung durch den Anbieter, Krankheit.
BAG, 9. Juli 2024 – 9 AZR 227/23
Hier präzisierte das BAG, dass Rückzahlungspflichten nicht bei jeder Eigenkündigung greifen dürfen. Arbeitnehmer müssen entlastet werden, wenn sie aus Gründen kündigen, die nicht in ihrem Risikobereich liegen. Fehlende Differenzierung führt zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel.
BAG, 21. Oktober 2025 – 9 AZR 266/24
Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Das BAG hat jedoch die Revision gegen die Entscheidung des LAG Nürnberg vom 14.08.2024 – 2 SLa 101/24 verworfen. Das LAG urteilte, dass unklare Begriffe wie „Vertretenmüssen“ zulasten des Arbeitgebers gehen. Die Formulierung kann auch Fälle erfassen, in denen Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden kündigen – das ist nach ständiger Rechtsprechung unzulässig.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber: So gestalten Sie Rückzahlungsklauseln wirksam
1. Transparente und konkrete Vertragsgestaltung
Benennen Sie die konkreten Kosten oder die Kostenstruktur (z. B. Lehrgangsgebühren, Prüfungsgebühren, Reisekosten). Unbestimmte Pauschalklauseln sind riskant.
2. Klare Differenzierung der Rückzahlungsgründe
Die Klausel muss eindeutig formulieren, in welchen Fällen der Arbeitnehmer zur Rückzahlung verpflichtet ist – und in welchen nicht.
3. Bindungsdauer in angemessenem Verhältnis zur Fortbildungsdauer
Orientierung bietet das BAG-Urteil vom 21.07.2005 – 6 AZR 452/04:
| Dauer der Fortbildung | Zulässige Bindungsdauer |
| 1 Monat | 6 Monate |
| 2 Monate | 1 Jahr |
| 3–4 Monate | 2 Jahre |
| 6–12 Monate | 3 Jahre |
| > 24 Monate | 5 Jahre |
Wichtig: Die Dauer richtet sich nach dem Zeitraum der tatsächlichen Freistellung, nicht nach dem zeitlichen Gesamtumfang der Fortbildung.
4. Einzelfallprüfung vor Rückforderung
Vor der Geltendmachung sollte stets eine rechtliche Bewertung erfolgen, da formale Fehler zur Unwirksamkeit der Regelung führen können.
5. Sorgfältige Dokumentation
Nur vollständig belegte Fortbildungskosten sind erstattungsfähig. Arbeitgeber sollten sämtliche Belege und Teilnahmeunterlagen aufbewahren.
Was Arbeitnehmer beachten müssen
1. Keine vorschnellen Zahlungen
Rückforderungsverlangen sollten niemals ungeprüft erfüllt werden.
2. Rückzahlungsklausel juristisch prüfen lassen
Viele Klauseln sind aufgrund formaler oder inhaltlicher Mängel unwirksam. Eine Prüfung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht ist empfehlenswert.
3. Kündigungsgrund genau analysieren
Entscheidend ist, warum das Arbeitsverhältnis endet.
Beispiele:
- betriebsbedingte Kündigung
- außerordentliche Eigenkündigung aus wichtigem Grund
- personenbedingte Gründe
Der Kündigungsgrund kann die Rückzahlungspflicht vollständig entfallen lassen.
Fazit: Rückforderung von Fortbildungskosten bleibt komplex
Die aktuelle Rechtsprechung hat die Anforderungen an Rückzahlungsklauseln weiter konkretisiert und in einigen Bereichen verschärft. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass nur klar formulierte, faire und differenzierte Vereinbarungen Bestand haben. Arbeitnehmer profitieren von einer strengen gerichtlichen Kontrolle, sollten Rückforderungsansprüche aber dennoch sorgfältig prüfen lassen.
Ob die Rückforderung von Fortbildungskosten im Einzelfall durchsetzbar ist, hängt stets vom konkreten Vertrag und den Umständen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab.
Unsere Kanzlei berät Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfassend zu Fortbildungskosten, Rückzahlungsvereinbarungen und allen Fragen des Arbeitsrechts – sowohl außergerichtlich als auch vor den Arbeitsgerichten.
Autorin: Nadja Langer, Fachanwältin für Arbeitsrecht – alpha Rechtsanwälte Fachanwälte PartG mbB

