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Mehrkosten durch Bauverzögerung? Wie die Rechtsprechung Unternehmer im Regen stehen lässt

Sie stehen zum vertraglich festgelegten Zeitpunkt mit Personal, Material und Geräten auf der Baustelle bereit – alles ist organisiert, kalkuliert, durchgeplant. Doch es geht nicht los. Warum? Das Vorgewerk ist nicht fertig. Der Vorunternehmer hat seinen Zeitplan nicht eingehalten. Ihre Arbeiten verzögern sich und damit wächst täglich der wirtschaftliche Schaden: Unproduktive Stunden, zusätzliche Anfahrten, teure ... Weiterlesen

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Sie stehen zum vertraglich festgelegten Zeitpunkt mit Personal, Material und Geräten auf der Baustelle bereit – alles ist organisiert, kalkuliert, durchgeplant. Doch es geht nicht los. Warum? Das Vorgewerk ist nicht fertig. Der Vorunternehmer hat seinen Zeitplan nicht eingehalten.

Ihre Arbeiten verzögern sich und damit wächst täglich der wirtschaftliche Schaden: Unproduktive Stunden, zusätzliche Anfahrten, teure Personalbindung, Stillstandsmiete für Geräte. Dazu kommen oft Materialpreissteigerungen, die infolge der Verzögerung Ihre Kalkulation sprengen – ohne dass Sie diese weitergeben können. Und das Bittere daran: Die einschlägige Rechtsprechung lässt Unternehmer in solchen Fällen oft im Regen stehen.

Willkommen im Dilemma der sogenannten Vorunternehmerrechtsprechung. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum Sie als Unternehmer für Bauverzögerungen, die andere verschulden, häufig keine Kostenerstattung erhalten – und was Sie dennoch tun können, um sich bestmöglich abzusichern.

Das Problem: Vorgewerke verzögern sich – und Sie bleiben auf den Kosten sitzen

In der Baupraxis ist es Alltag und Notwendigkeit, dass mehrere Gewerke nacheinander oder parallel auf der Baustelle tätig sind. Verzögert sich ein Vorgewerk, etwa der Rohbau, der Trockenbau oder die Elektroinstallation, kann das nachfolgende Unternehmen seine vertraglich geschuldete Leistung nicht rechtzeitig oder gar nicht ausführen.

Die Folge: Sie geraten in eine Kettenreaktion aus Wartezeiten, Neuplanung und wirtschaftlichem Mehraufwand. Dabei entstehen teils erhebliche Mehrkosten durch Bauverzögerung, die Ihre ursprüngliche Kalkulation schnell ins Wanken bringen:

  • Personalvorhaltung trotz Stillstand der Arbeiten,
  • Mietkosten für Geräte, Gerüste oder Container ohne Nutzung,
  • Vergebliche Anfahrten und wiederholte Rüstzeiten,
  • Unterbrechung laufender Prozesse, etwa im Innenausbau oder bei Gewerkeabfolgen,
  • und vor allem: Materialpreissteigerungen, die Ihre Materiallieferungen deutlich teurer machen, wenn sich die Abnahme oder Einbauzeit verschiebt.

Was nach einem klaren Fall von Fremdverschulden aussieht, wird rechtlich schnell zum Bumerang: In vielen Fällen bleiben Sie auf diesen Mehrkosten sitzen, obwohl Sie zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt vollständig leistungsbereit waren. Die Durchsetzung von Ersatzansprüchen scheitert oft an strengen Anforderungen der Rechtsprechung – sei es an der umfangreichen Beweisführungspflicht, etwa bei Wartezeiten oder Produktivitätsverlusten, oder an der fehlenden Anspruchsgrundlage, wie im Fall von Materialpreissteigerungen, für die der Unternehmer ohne vertragliche Sonderregelung regelmäßig selbst das Risiko trägt.

Die Vorunternehmerrechtsprechung – was bedeutet das?

Die sogenannte Vorunternehmerrechtsprechung bezeichnet eine Linie von Gerichtsentscheidungen, die regelt, wie mit Bauverzögerungen umzugehen ist, wenn sie durch ein vorangegangenes Gewerk verursacht wurden. Das betrifft regelmäßig Fälle, in denen ein Unternehmer seine vertragliche Leistung nicht ausführen kann, weil ein Vorgewerk nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde.

Typischer Fall:
Ein Sanitärbetrieb kann seine Arbeit nicht fertigstellen, weil der Trockenbauer mit seinem Gewerk in Verzug ist. Beim Sanitärbetrieb entstehen Kosten: Er muss mehrfach anfahren, seine Mitarbeiter auf Abruf halten, zusätzliche Lagerkosten tragen und nicht zuletzt werfen Materialpreissteigerungen seine Kalkulation durcheinander.

Die Frage ist nun: Kann der Sanitärbetrieb seine Mehrkosten ersetzt verlangen?

Wie die Rechtsprechung zur Bauverzögerung entstand

Der BGH hat sich mehrfach mit der Frage befasst, wann ein Auftraggeber für Verzögerungen durch Vorunternehmer haftet. Zunächst galt: Solange der Auftraggeber nicht ausdrücklich für deren Verhalten einsteht, haftet er nicht. Auch eine Entschädigung wegen mangelnder Mitwirkung nach § 642 BGB war ausgeschlossen (BGH, VII ZR 23/84).

Später hat der BGH seine Sichtweise geändert: Unterlässt der Auftraggeber notwendige Mitwirkung kann ein Nachunternehmer Entschädigung nach § 642 BGB verlangen (BGH, VII ZR 185/98).

Allerdings sind die Ansprüche nach § 642 BGB begrenzt. Laut BGH (VII ZR 16/17) werden nur Wartezeiten und Bereitstellungskosten ersetzt – nicht aber gestiegene Lohn- oder Materialkosten, die durch die verzögerte Bauausführung entstehen.

Besonders wichtig für die Praxis: Die bloße Mitteilung von Verzögerungen oder das Übersenden geänderter Bauablaufpläne stellen keine Anordnung dar, die einen Anspruch auf Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B auslöst. Auch Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 VOB/B kommt nur in Betracht, wenn eine Pflichtverletzung des Auftraggebers konkret dargelegt wird – Verzögerungen durch Vorunternehmer reichen nicht aus (BGH, VII ZR 10/24).

Für Unternehmer ist diese Rechtsprechung deshalb besonders problematisch, weil der Anspruch auf Entschädigung nach § 642 BGB sehr begrenzt ist. Er deckt lediglich Wartezeiten ab, also die Kosten für bereitgehaltenes Personal und Geräte. Spätere Mehrkosten wie gestiegene Löhne, Materialpreise oder ineffiziente Bauabläufe bleiben außen vor.

Warum Unternehmer unter der Vorunternehmerrechtsprechung leiden

Hinzu kommt: Die Hürden für eine erfolgreiche Durchsetzung sind hoch. Unternehmer müssen im Detail darlegen und beweisen: Die Rechtsprechung verlangt eine sogenannte bauablaufbezogene Darstellung. Dafür muss der Unternehmer zunächst den bauvertraglich vereinbarten Bauablauf, dann die genaue Behinderung und schließlich deren konkrete Auswirkungen auf seine Leistungen darlegen.

Auch besonders ärgerlich: Selbst wenn der Auftraggeber den Bauablauf umplant oder Verzögerungen mitteilt, führt das nicht automatisch zu einer Mehrvergütung – es fehlt schlicht an der erforderlichen „Anordnung“, wie sie § 2 Abs. 5 VOB/B verlangt. Unternehmer bleiben damit oft auf Mehrkosten sitzen, obwohl sie diese nicht zu vertreten haben.

Schadensersatzansprüche bestehen nicht: Denn hierfür müsste eine Pflichtverletzung des Auftraggebers vorliegen, welche durch die Gerichte ohne eine entsprechende Vertragsklauseln verneinen.

Was Unternehmer beachten müssen – Praxistipps zur Risikominimierung

Trotz der sehr strengen Rechtsprechung gibt es Maßnahmen, mit denen Sie Ihre Position verbessern können. Hier sind die wichtigsten:

✅ Frühzeitig Behinderungen anzeigen

  • Zeigen Sie jede Verzögerung unverzüglich schriftlich an.
  • Nutzen Sie die Behinderungsanzeige nach § 6 VOB/B.
  • Nennen Sie klar: Ursache, Auswirkungen, voraussichtliche Dauer, betroffene Bereiche.
  • Fordern Sie den Auftraggeber auf, die Störung zu beseitigen.

✅ Anspruchslage frühzeitig rechtlich prüfen

  • Prüfen Sie gemeinsam mit einem spezialisierten Anwalt, welche vertraglichen Ansprüche Sie gegen den Auftraggeber geltend machen können.
  • Bei gestörtem Bauablauf können ggf. Ansprüche bestehen– aber nur bei sorgfältiger Vorbereitung.
  • Mit der Unterstützung eines spezialisierten Anwaltes brauchen Sie nicht abwarten, bis sich die Mehrkosten realisiert haben, sondern können frühzeitig die richtigen Hebel für Nachverhandlungen in Bewegung setzen.

Dokumentation ist alles

  • Führen Sie ein Baustellentagebuch mit täglichen Einträgen.
  • Protokollieren Sie Stillstände, Ausfälle, Leerfahrten, Personalbindung.
  • Sammeln Sie Belege für alle Zusatzkosten (z. B. Lohnnachweise, Rechnungen, Fahrtennachweise).

Vertraglich vorsorgen

  • Vertragsgestaltung ist entscheidend.
  • Verlangen Sie Mitwirkungspflichten und Terminverbindlichkeiten.

Fazit: Die Rechtsprechung verlangt mehr, als Unternehmer oft leisten können

Die Vorunternehmerrechtsprechung lässt viele Unternehmer im Regen stehen:
Obwohl Sie zuverlässig und termingerecht arbeiten wollen, verursachen Verzögerungen anderer erhebliche Mehrkosten – und diese bleiben meist an Ihnen hängen.

Die Gerichte verlangen Nachweise, die in der Praxis schwer zu führen sind. Für Unternehmer bedeutet das: hohes wirtschaftliches Risiko bei geringer rechtlicher Absicherung.

Unser Appell: Lassen Sie sich nicht im Regen stehen

Wenn Sie sich nicht selbst gegen die Kostenfalle durch Vorgewerksverzögerungen absichern, tragen Sie am Ende allein die Last. Doch das muss nicht sein.

Als auf das Bau- und Architektenrecht spezialisierte Kanzlei wissen wir, wo die rechtlichen Fallstricke liegen – und wie man sie umgehen kann. Wir helfen Ihnen dabei:

  • Bauverträge rechtssicher zu gestalten,
  • Ihre Projekte gegen Vorgewerksrisiken abzusichern,
  • Ansprüche aus gestörtem Bauablauf durchzusetzen.

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Autorin: Karen Faehling, Rechtsanwältin – alpha Rechtsanwälte PartG mbB

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